Work-Life-Balance, TikTok und Gucci-Gürtel

Eine für viele fast unergründliche und auf alle Fälle unberechenbare Generation erobert die Arbeitswelt. Was bedeutet das für Unternehmen und Personalabteilungen?

X-Y-Z – das sind neuerdings nicht mehr nur die letzten drei Buchstaben im Alphabet, sondern sie sind in aller Munde bei der Beschreibung der Unterschiede zwischen den Generationen. Jede Altersgruppe lässt sich analysieren und hat ihre guten und ihre herausfordernden Eigenschaften. Eines ist jedoch klar: Jede Generation entwickelt sich im Vergleich zu ihrer Vorgängerin weiter, so wie sich auch die Technik weiterentwickelt hat. Vielseitigste technische Möglichkeiten, jede Menge Ablenkungspotenzial und Zugang zu einer schier unfassbaren Fülle an Informationen spielen aktuell eine entscheidende Rolle.

Content is King!

„Content“ nennt man aktuell Informationen, und Content ist in den seltensten Fällen mehr als ein Mittel gegen Langeweile. Content ist gut, wenn er unterhaltsam ist, und unterhaltsam ist alles, was junge Menschen lustig, skurril oder auch irritierend finden: Ein junger Mann, der regelmäßig am „Dönerstag“ in seinem Social-Media-Kanal einen Döner isst, sammelt 100.000 Views, leicht bekleidete junge Damen propagieren Feminismus und werden zum Vorbild von Millionen Kids. Unzählige Jungen beobachten, wie Gamer Videospiele zocken und dabei unentwegt reden.

Der endlose Zugang zu Ablenkung nimmt der jungen Generation jegliche Möglichkeit zur Langeweile, diese ist aus dem Alltag der Jugendlichen gestrichen. Früher war es oft der Zustand des „Nichtstuns“, der für eigene Kreativität und Ideenreichtum gesorgt hat. Jetzt entsteht Kreativität aus den Ideen anderer. Dadurch, dass alles sehr leicht zugänglich ist, verlieren junge Menschen leicht den Anreiz, selbst die Initiative zu ergreifen. Warum für eine Projektarbeit Bücher wälzen und mühevoll recherchieren, wenn jemand schon längst das passende Video auf YouTube geladen hat? Warum einen langen Aufsatz schreiben, wenn ChatGPT einen preisverdächtigen Artikel in Sekundenschnelle zusammenbasteln kann?

Auszubildende – woher nehmen?

Und wenn alles im Leben ohne große Widerstände gelaufen ist, erwartet man natürlich selbstverständlich, dass alles genauso weitergeht. Schon bei der Wahl des Ausbildungsplatzes sind die Erwartungen hoch. „Wenig arbeiten, viel verdienen“ – das ist oft Ziel eines Arbeitnehmers. Frühere Generationen ließen sich allerdings schneller auf den Boden der Tatsachen bringen. Während vor einigen Jahren Ausbildungsplätze rar waren, kämpfen die Unternehmen aktuell mit riesigen Budgets um Nachwuchskräfte. Junge Menschen werden hofiert, erhalten gute Einstiegsgehälter und alle Benefits, die man sich vorstellen kann.

Haben sich die Jugendlichen für einen Ausbildungsplatz entschieden, ist die Erwartungshaltung während der Lehre natürlich hoch und das Selbstverständnis noch höher. Während man als Azubi früher erst mal dafür verantwortlich war, kleine Aufgaben zu erledigen, für Sauberkeit zu sorgen und vielleicht noch mittags die Verpflegung zu holen, erwarten die Lehrlinge heute deutlich mehr: verantwortungsvollere Aufgaben, mehr Lob und keine Überstunden. Ausbilder, die ihre alten Stiefel runterbeten und Methoden von gestern anwenden, beißen schnell auf Granit. Betriebe, die nicht mit der Zeit gehen, werden es schwer haben, Azubis zu finden und diese nach der Ausbildung als Facharbeiter auch zu halten.

Wir müssen uns einlassen auf eine Generation, die schlau ist, und zudem sehr selbstbewusst. Eine Generation, die viel erreichen möchte, aber nicht unbedingt bereit ist, alles dafür zu tun. Eine Generation, die unberechenbar ist, aber ganz viel Potenzial hat, wenn man sie entsprechend unterstützt. Als Ausbilder oder Vorgesetzter ist es nun die wichtigste Aufgabe, dieses Potenzial ans Licht zu bringen, die jungen Kollegen zu fördern und zu fordern, ihnen auf Augenhöhe zu begegnen und sie eigene Erfahrungen sammeln zu lassen. Hat man das Vertrauen gewonnen, wird man die Möglichkeit bekommen, sein Wissen weiterzugeben, und selbst dabei eine Menge lernen. Es gibt keine Formel für die Generation Unberechenbar – aber wenn man bereit ist, sich selbst zu verändern, kann die Lösung positiv überraschen.

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